4490 St.Florian, Leopold-Kotzmann-Straße 11b office@stb-huemer.at 07224/22472 / Fax 0732/210022-1122

Steuerberatung Huemer

Jahresabschluss und Auswirkungen der Ukraine-Krise

Um die Auswirkungen auf die Bilanzierung analysieren zu können, gilt es, sich zunächst den Ablauf der Geschehnisse in Erinnerung rufen. Am 21.2.2022 hat die Russische Föderation die in der Ukraine liegenden Regionen Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt. Am 24.2.2022 hat die Russische Föderation verkündet, dass die beiden Volksrepubliken sie um Hilfe gebeten haben, und einen breit angelegten Angriff auf die Ukraine begonnen. Seither befindet sich die Russische Föderation mit der Ukraine im Kriegszustand mit vielfältigen, auch wirtschaftlichen Auswirkungen auf lokale und westliche Unternehmen (die „Ukraine-Krise“). Vor diesem Hintergrund ergeben sich zahlreiche Fragestellungen iZm der Unternehmensberichterstattung betreffend den Zeitpunkt und das Ausmaß der bilanziellen Erfassung der Auswirkungen der Ukraine-Krise sowie ferner sich daraus ergebende Angabe- und Ausweiserfordernisse.

  •  Bilanzielle Auswirkungen für Abschlussstichtage bis einschließlich 23. Februar 2022

Nach Ansicht des AFRAC ist mit dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine ein wertbegründendes Ereignis eingetreten, welches grundsätzlich nicht im Zahlenwerk von Abschlüssen zu Stichtagen bis zum 23.2.2022 zu berücksichtigen ist, es sei denn, die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ist dadurch gefährdet. Deuten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ukraine-Krise darauf hin, dass die Going Concern-Annahme nicht mehr angemessen ist, darf der Abschluss nicht unter Annahme der Unternehmensfortführung aufgestellt werden.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind sämtliche bis zum Tag der Aufstellung verfügbaren Informationen über die Zukunft heranzuziehen und somit auch alle durch die Ukraine-Krise verursachten möglichen Auswirkungen in die Überlegungen mit einzubeziehen. In diesem Zusammenhang ist zu beurteilen, ob sich die Unternehmenssituation durch die Ukraine-Krise zu einer akuten Krise des Unternehmens entwickelt hat bzw entwickeln wird oder ob die Ukraine-Krise eine schon bestehende, bereits akute Krise verstärkt hat. Bei der Krisenanalyse sind zum einen die unmittelbaren Auswirkungen der Kriegseinwirkungen, zB betreffend Niederlassungen und direkte Beteiligungen in der Ukraine oder dortige Beteiligte an der Wertschöpfungskette, sowie zum anderen die langfristigen, globalen Auswirkungen, vor allem bedingt durch die Wirtschaftssanktionen der westlichen Staaten gegen Russland und Belarus sowie deren Gegenmaßnahmen, zu beachten. Als Ergebnis dieser Analyse kann zur Untermauerung der Going Concern-Annahme die Erstellung bzw die Aktualisierung von Unternehmensplänen (zumindest Finanzplänen) und Szenarien oder ggf die Erstellung einer Fortbestehensprognose notwendig sein.

Für die im Kontext der Ukraine-Krise erforderlichen Angaben in Anhang und Lagebericht wird auf die Kapitel 2.2. und 2.3. der AFRAC-Fachinformation verwiesen.

  • Bilanzielle Auswirkungen für Abschlussstichtage nach dem 23.Februar 2022

Die Berücksichtigung der Auswirkungen der Ukraine-Krise im Zahlenwerk eines Abschlusses ist  iSd Stichtagsprinzips in Abschlüssen zu Stichtagen nach dem 23.2.2022 geboten. Dadurch können sich verschiedene Themenstellungen ergeben. Insbesondere kann eine neuerliche Überprüfung der Fortführungsfähigkeit erforderlich sein sowie die Möglichkeit oder Notwendigkeit zur Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes für Ansatz und Bewertung bestehen. Die aktuelle Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen können sich zudem vielfach auf die Bilanz von betroffenen Unternehmen auswirken. Für Aktiva und Passiva gilt bspw Folgendes:

 

  • Die aktuelle Ukraine-Krise wird idR dazu führen, dass die Prüfung von außerplanmäßigen Abschreibungen bzw die Durchführung von Wertminderungstests nach IFRS erforderlich ist. Dies betrifft insbesondere Firmenwerte und anderes immaterielles Vermögen, Sach- sowie ggf Finanzanlagevermögen.
  • Bei Finanzanlage- und -umlaufvermögen, welches zu beizulegenden Zeitwerten bewertet wird, sind die Auswirkungen der Ukraine-Krise bei der Wertermittlung zu berücksichtigen.
  • Die Krise kann sich ferner auf die Bewertung der Vorräte Abschreibungen, bspw aufgrund erhöhter Kosten zur Fertigstellung der Erzeugnisse, können erforderlich sein. Zudem können durch Verzögerungen bzw Unterbrechungen in den Lieferketten nicht aktivierungsfähige Leerkosten entstehen.
  • Bei der Bewertung von Forderungen ist durch die verhängten Sanktionen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Krisenregionen mit erhöhten Ausfallsrisiken zu rechnen. Bei der Ermittlung von Wertberichtigungen zu Forderungen sind sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Schuldner zu berücksichtigen; dies betrifft sowohl Einzelwertberichtigungen als auch Pauschalwertberichtigungen.
  • Änderungen der Zugriffsmöglichkeiten auf Konten in den betroffenen Regionen können Auswirkungen auf den Ausweis der liquiden Mittel haben.
  • Auswirkungen können sich auf die Umsatzerlöse dem Grunde und der Höhe nach ergeben, wenn sich die erwartete Gegenleistung des Kunden oder die erwarteten Kosten der Vertragserfüllung ändern.
  • In Bezug auf aktive latente Steuern muss, insb wenn diese aufgrund von Verlustvorträgen gebildet wurden, beurteilt werden, ob zukünftig ein ausreichendes zu versteuerndes Ergebnis vorliegen wird.
  • Schwebende Absatz- und Beschaffungsgeschäfte mit Bezug zu den betroffenen Regionen können die Bildung von Rückstellungen Denkbar wären dabei Rückstellungen für drohende Verluste oder für belastende Verträge bspw infolge steigender Rohstoffpreise oder gar Exportstopps für gewisse Produkte, sowie für Vertragsstrafen. Rückstellungen können ebenso für geplante Umstrukturierungen erforderlich sein, etwa wenn Unternehmen aus Anlass der aktuellen Situation entscheiden, mittel- bis langfristig ihre Niederlassungen in diesen Ländern aufzugeben.
  • Verluste oder Vermögensschmälerungen, die ein Unternehmen durch die Ukraine-Krise erleidet, können zum Bruch von Kreditbedingungen (Covenants) führen. Dies führt im Regelfall zu einer vorzeitigen Rückzahlungsverpflichtung, wodurch sich deren Fristigkeit ändert.
  • Eventualverbindlichkeiten sowie Haftungsverhältnisse können schlagend werden. Diese sind sodann in der Bilanz anzusetzen.
  • Aufgrund des starken Absturzes des russischen (RUB) und belarussischen (BYN) Rubels sowie der ukrainischen Währung (UAH) ist mit der vermehrten Realisation von Fremdwährungsverlusten zu rechnen.

Die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf Konzernabschlüsse wird in der AFRAC-Stellungnahme (Stand: April 2022) unter Kapitel 2.8 dargestellt.