Lohnsteuerpflichtige Einkünfte werden meistens nach Ablauf des Kalenderjahres „veranlagt“, das heißt vom Finanzamt in einem Einkommensteuerbescheid erfasst, wobei die Steuer neu berechnet und der während des Jahres einbehaltenen Lohnsteuer gegenübergestellt wird. Die Veranlagung erfolgt entweder freiwillig (Antragsveranlagung) oder zwingend (Pflichtveranlagung). Weiters gibt es auch noch die antragslose Veranlagung.
1. Pflichtveranlagung
Für Lohnsteuerpflichtige besteht nur unter besonderen Voraussetzungen eine Pflicht zur „Veranlagung“. Dies ist im Wesentlichen der Fall, wenn einer der folgenden Umstände vorliegt:
- Es wurden gleichzeitig von zwei oder mehreren verschiedenen Arbeitgebern lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen.
- Neben den lohnsteuerpflichtigen Einkünften wurden andere Einkünfte (zB aus Vermietung) bezogen, die € 730 übersteigen.
- Bei der laufenden Lohnverrechnung wurde ein Freibetrag(sbescheid) berücksichtigt.
- Der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag wurde berücksichtigt, obwohl die Voraussetzungen nicht
- Ein Familienbonus Plus wurde berücksichtigt, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen.
- Ein Homeoffice-Pauschale wurde in einer insgesamt nicht zustehenden Höhe steuerfrei belassen.
und NEU ab 2022 kommen noch diese Punkte hinzu:
- Ein Pendlerpauschale wurde berücksichtigt, aber mit einem zu hohen Betrag bzw obwohl die Voraussetzungen überhaupt nicht vorlagen.
- Mehr als € 3.000 Mitarbeitergewinnbeteiligung wurden steuerfrei behandelt.
- Mehr als € 3.000 Teuerungsprämie wurden steuerfrei behandelt bzw. in Summe wurden mehr als € 3.000 Teuerungsprämie und Mitarbeitergewinnbeteiligung steuerfrei berücksichtigt.
- Eine Wochen-, Monats- oder Jahreskarte für ein Massenbeförderungsmittel wurde steuerfrei zur Verfügung gestellt, obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht vorlagen.
- Der Anti-Teuerungsbonus wurde ausbezahlt, aber das Einkommen beträgt mehr als € 90.000.
In den genannten Fällen besteht für Arbeitnehmer die Verpflichtung zur Einreichung einer Steuererklärung insbesondere dann, wenn das zu veranlagende Gesamteinkommen mehr als € 12.000 beträgt. Wenn der Arbeitnehmer nicht steuerlich vertreten ist, muss die Steuererklärung für 2022 entweder bis Ende Juni 2023 elektronisch (über FinanzOnline) eingereicht werden oder bereits bis Ende April 2023 in Schriftform.
Die Verpflichtung zur Einreichung einer Steuererklärung besteht außerdem auch immer dann, wenn das Finanzamt dazu auffordert.
2. Antragsveranlagung
Besteht keine Pflichtveranlagung, können Lohnsteuerpflichtige die Veranlagung beim Finanzamt freiwillig beantragen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des betroffenen Kalenderjahres gestellt werden. Sollte wider Erwarten im Einzelfall statt der erhofften Gutschrift eine Nachzahlung herauskommen, kann der Antrag innerhalb eines Monats (mittels Beschwerdeerhebung) wieder zurückgezogen werden.
TIPP: Vor der endgültigen Einreichung der Steuererklärungen via FinanzOnline empfiehlt es sich, dort eine Vorabberechnung durchzuführen. Sollte diese zu einer Nachzahlung führen, so kann von der freiwilligen Einreichung abgesehen werden und spart eine Beschwerdeerhebung.
3. antraglose Veranlagung
Für den Fall, dass bis 30.6.2023 keine Steuererklärung für 2022 eingereicht wird (und auch kein Fall der Pflichtveranlagung vorliegt), führt das Finanzamt auch ohne Antrag eine Arbeitnehmerveranlagung auf Grund der bekannten Datenlage durch, soweit diese Veranlagung zumindest zu einer Steuergutschrift von € 5 führt. Dies passiert aber nur, wenn das Finanzamt auf Grund der Aktenlage annehmen kann, dass nicht aufgrund von erst später beim Finanzamt eingehender Daten betreffend Sonderausgaben (zB Nachkauf von Versicherungszeiten, begünstigte Spenden oder geförderte Ausgaben für die thermisch-energetische Sanierung von Gebäuden oder den Ersatz fossiler Heizsysteme) oder außergewöhnlicher Belastungen (zB wegen Behinderung) künftig eine höhere Steuergutschrift zu erwarten wäre.
Ist auch bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Steuererklärung abgegeben worden und ergibt sich eine Gutschrift, führt das Finanzamt jedenfalls eine antragslose Veranlagung durch.
Die antragslose Arbeitnehmerveranlagung kann der Arbeitnehmer durch Einreichung einer Steuererklärung für das betreffende Veranlagungsjahr beseitigen. Dafür steht eine Frist von fünf Jahren nach Ende des betroffenen Kalenderjahres offen.
Wann empfiehlt sich eine Antragsveranlagung?
Mit dem Antrag auf Veranlagung kann der Steuerpflichtige Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen geltend machen.
Werbungskosten sind alle mit dem Beruf zusammenhängenden Aufwendungen. Dazu gehören zum Beispiel:
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- Homeoffice für Arbeitnehmer: Der Arbeitgeber kann bis zu € 3 pro Homeoffice-Tag (maximal 100 Tage pro Jahr) als Homeoffice-Pauschale steuerfrei auszahlen. Wenn bzw insoweit der Arbeitgeber diese Homeoffice-Pauschale nicht auszahlt, kann der Arbeitnehmer diesen Betrag als Werbungskosten in der Arbeitnehmerveranlagung in Ansatz bringen.
- Arbeitnehmer, die kein „steuerlich anerkanntes Arbeitszimmer“ haben, können für den Arbeitsplatz in ihrer Wohnung Ausgaben für die ergonomische Einrichtung (Schreibtisch, Drehstuhl, Beleuchtung) bis zu € 300 als Werbungskosten geltend machen, wenn es zumindest 26 Homeoffice-Tage gegeben hat. Zusätzlich können sie Ausgaben für digitale Arbeitsmittel (Computer, Drucker, Mobiltelefon, Internet) zwecks Verwendung an diesem Arbeitsplatz – gekürzt um ein vom Arbeitgeber steuerfrei ausbezahlte Homeoffice-Pauschale – geltend machen.
- Sind die Voraussetzungen für ein eigenes steuerliches Arbeitszimmer in der Wohnung erfüllt, können anteilige AfA für den Raum und die Einrichtung, anteilige Miete und anteilige Betriebs- und Heizkosten geltend gemacht werden. Ein steuerliches Arbeitszimmer liegt dann vor, wenn dieser Raum den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers darstellt und ausschließlich für den Beruf verwendet wird und nicht ohnedies beim Arbeitgeber ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird.
- Vom Arbeitnehmer getragene Kosten für dienstliche Reisen sind ebenfalls Werbungskosten. Verwendet der Arbeitnehmer für Dienstreisen sein privat finanziertes Öffi-Ticket (Klimaticket) und leistet der Arbeitgeber keinen Kostenersatz, so kann der Arbeitnehmer die fiktiven Kosten für das günstigste öffentliche Verkehrsmittel geltend machen.
- Für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gebührt (im Normalfall ab einer Strecke von 20 km) das Pendlerpauschale. Wurde das Pendlerpauschale (sowie der Pendlereuro) –insbesondere mit den für Mai 2022 bis Juni 2023 gebührenden höheren Werten – noch nicht berücksichtigt, so kann dies in der Arbeitnehmerveranlagung geltend gemacht werden.
- Besteht ein zweites Dienstverhältnis und werden dabei zusätzliche Wegstrecken für die Fahrten von der Wohnung zur weiteren Arbeitsstätte zurückgelegt, ist diese zusätzliche Wegstrecke im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Ausmaß des Pendlerpauschales zu berücksichtigen.
- Erwachsen dem Arbeitnehmer für die Beförderung im Werkverkehr von der Wohnung zur Arbeitsstelle Kosten, sind diese bis zur Höhe des jeweiligen Pendlerpauschales Werbungskosten und können in der Arbeitnehmerveranlagung geltend gemacht werden.
- Zu den Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für die Fortbildung und für die Umschulung in einen anderen Beruf wie auch Kosten für Fachliteratur. Auch Kosten für eine weitere Wohnung am Berufsort (zusätzlich zum Familienwohnsitz) stellen Werbungskosten dar.
Sonderausgaben sind im Gesetz ausdrücklich genannte Ausgaben des Privatbereichs. Dazu gehören zB Spenden an begünstige Einrichtungen sowie Kirchenbeiträge. Aber auch der Nachkauf von Schul- oder Studienzeiten als Versicherungszeiten für sich selbst oder den Ehe(partner) für die Pension sowie Steuerberatungskosten werden darunter subsumiert.
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- NEU als Sonderausgaben sind Ausgaben für die thermisch-energetische Sanierung von Gebäuden (zB Fensteraustausch) oder für den Ersatz eines fossilen durch ein klimafreundliches Heizungssystem (zB Fernwärmeanschluss). Diese Sonderausgabe ist an eine Förderungsauszahlung des Bundes gebunden. Die für die steuerliche Berücksichtigung erforderlichen Förderungsdaten werden elektronisch durch die Förderstelle übermittelt und automatisch bei der Veranlagung berücksichtigt.
- Die Ausgaben für die thermisch-energetische Sanierung müssen (nach Abzug der Förderung) einen Betrag von € 4.000 übersteigen, jene für die energetische Sanierung einen Betrag von € 2.000. Im Kalenderjahr der Auszahlung der Förderung und in den folgenden vier Kalenderjahren ist dann jeweils ein Pauschbetrag von € 800 (im Falle einer thermisch-energetischen Sanierung) bzw von € 400 (bei Austausch eines fossilen Heizungssystems) als Sonderausgabe vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Die Regelung kommt erstmals bei der Veranlagung 2022 zur Anwendung. Dafür muss die Förderung nach dem 30.6.2022 ausbezahlt und das zugrundeliegende Förderansuchen nach dem 31.3.2022 eingebracht worden sein.
Außergewöhnliche Belastungen sind zwangsläufige Ausgaben des Privatbereichs, zB Krankheitskosten.
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- Ab einer Erwerbsminderung von 25% können pauschale Beträge als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend gemacht werden (zusätzlich werden dann die tatsächlichen Kosten der durch die Beeinträchtigung erforderlichen Hilfsmittel und Heilbehandlungen berücksichtigt).
- Aufwendungen für ein Pflegeheim oder Seniorenheim sind außergewöhnliche Belastungen, wenn Pflegebedürftigkeit vorliegt, was jedenfalls ab Pflegestufe 1 anerkannt wird.
Absetzbeträge: Bei der Veranlagung können auch bislang noch nicht berücksichtige Absetzbeträge geltend gemacht werden, insbesondere Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Familienbonus Plus.
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- Arbeitnehmer mit einem Einkommen (im Jahr 2022) unter € 24.500 erhalten einen Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag (bzw zum erhöhten Verkehrsabsetzbetrag bei Anspruch auf ein Pendlerpauschale) von bis zu € 650. Dieser Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag ist nur im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen.
- Einem Steuerpflichtigen, der für ein Kind, das nicht zu seinem Haushalt gehört, den gesetzlichen Unterhalt leistet (zB nach einer Trennung der Eltern), steht bei der Veranlagung für 2022 ein Unterhaltsabsetzbetrag von € 29,20, für das zweite Kind € 43,80 und für jedes weitere Kind € 58,40 monatlich zu. Die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages erfolgt nur im Veranlagungsverfahren.
Negativsteuer bei der Veranlagung von niedrigem Einkommen
Ist das Einkommen so niedrig, dass sich keine Einkommensteuer ergibt, kann die Veranlagung aus folgenden Gründen (zusätzlich zur Rückzahlung der einbehaltenen Lohnsteuer) zu weiteren Gutschriften führen:
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- Alleinverdienenden oder alleinerziehenden Steuerpflichtigen mit niedrigem Einkommen, die Kinderbetreuungsgeld/Pflegekarenzgeld bezogen haben oder zumindest 30 Tage berufstätig waren, steht im Rahmen der Veranlagung die Auszahlung eines Kindermehrbetrages von bis zu € 550 pro Kind zu. Die Höhe des Kindermehrbetrages ergibt sich aus der Differenz zwischen der Tarif-Einkommensteuer und € 550.
- Insoweit sich durch den Abzug der Steuerabsetzbeträge von der Tarif-Einkommensteuer ein Betrag unter Null ergibt, wird ein Betrag in Höhe des zustehenden Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrages (für 2022: € 494) als Gutschrift ausgezahlt.
- Ergibt sich bei Arbeitnehmern oder Pensionisten durch den Abzug der Steuerabsetzbeträge von der Tarif-Einkommensteuer ein Betrag unter Null, werden bestimmte Prozentsätze der geleisteten Sozialversicherungsbeiträge bei der Veranlagung zurückerstattet.
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- NEU: Teuerungsabsetzbetrag für 2022. Bei Arbeitnehmern (oder Pensionisten) mit geringem Einkommen (bis zu € 24.500) mindert sich unter bestimmten Voraussetzungen für 2022 die Steuer auch noch um einen Teuerungsabsetzbetrag (von maximal € 500). Steht der Teuerungsabsetzbetrag zu, wird bei der Veranlagung die genannte Rückerstattung von geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen mit höheren Prozentsätzen vorgenommen (maximal mit € 1.550 bzw für Pendler € 1.610).